copyright: Photolur
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Die Grenze der Versöhnung

Das Kreuz der Armenier mit der Türkei

 

Ein Film von Daniel Guthmann

 

ORF/3sat 2010, 45 min

 

 

 

Nach fast einem Jahrhundert der erbitterten Feindschaft haben Regierungsvertreter aus der Türkei und aus Armenien am 10. Oktober 2009 in der Schweiz ein Abkommen über eine Aufnahme von diplomatischen Beziehungen unterschrieben. Falls die Parlamente beider Länder das Abkommen ratifizieren, soll es in 2010 zur Öffnung der gemeinsamen Grenze kommen. Die armenische Regierung verspricht sich davon einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung für das kleine, geographisch isolierte Bergland. Die Annäherung an die Türkei ist jedoch in Armenien ein innenpolitisch sehr umstrittenes Thema, denn bis heute leugnet die Türkei ihre Verantwortung für den Genozid an den Armeniern. Während des 1. Weltkriegs wurden auf staatlichen Befehl der osmanischen Jungtürken mehr als eine Millionen Armenier massakriert. Fast ebenso viele wurden aus den Regionen der heutigen Osttürkei vertrieben, die zuvor mehr als zwei Jahrtausende lang armenisches Siedlungsgebiet gewesen waren. Viele kulturelle Schätze des armenischen Christentums wurden dabei unwiederbringlich zerstört. Lange Zeit mussten die Armenier für die internationale Anerkennung dieser Ereignisse als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts kämpfen. Während der Sowjetdiktatur durfte sogar im eigenen Land über das Thema jahrzehntelang nicht öffentlich gesprochen werden. Erst nach 1965 konnte in Armenien die geschichtliche und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Trauma der Vergangenheit beginnen. Inzwischen ist der Völkermord von den meisten zivilisierten Ländern der Welt anerkannt worden, aber die Türkei hat sich davon nicht beeindrucken lassen. Der EU-Beitrittskandidat hat währenddessen weiterhin die systematische Zerstörung der noch verbliebenen Spuren armenischer Kultur in Ostanatolien betrieben. Türkische Intellektuelle wie der Nobelpreisträger Orhan Pamuk, die es wagen, den Völkermord zu thematisieren, werden strafrechtlich verfolgt. Und so stellt sich für viele Armenier die Frage, ob es nicht ein Fehler ist, ohne Schuldbekenntnis der Türkei Schritte zur Versöhnung mit dem großen Nachbarland einzuleiten.